Wenn die Puppen sprechen

Erotisch, hintergründig, schelmisch: Thomas Glasmeyer und seine Geschichten

PEGNITZ - von Andrea Pfaucht

„Wir wollendoch wissen, wie die Geschichte weiter geht…“ Das haben die Zuschauen im Altenstädter Schloss am Mittwochabend mit Sharijar gemeinsam.

Der junge König aus Tausendundeiner Nacht ist fasziniert von den Geschichten der klugen Schaharasad, das Publikum von Thomas Glasmeyer, dem Puppenspieler und Geschichtenerzähler.

Kann man nüchtern und sachlich beschreiben, wie Glasmeyer die orientalischen Liebes- und Schelmenabenteuer aus den Märchen vergangener Tage in die heutige Sprache übersetzt? Sie mit seinen selbst gebauten Puppen zu neuem Leben erweckt? Alte Weisheiten neu beleuchtet, sie umsetzt für den heutigen Alltag? Unmöglich!

Es dauert keine Minute, bis man sich fallenlässt, fallenlassen muss, in die Erzählkunst des Puppenspielmeisters, bis man tief hinabtaucht in eine magische Welt, die Glasmeyer mal erotisch, mal frivol, dann wieder hintergründig und schelmisch erzählt. Immer einfühlsam und subtil.

Wenige Requisiten genügen ihm, um Raum für längst vergangen geglaubte Träume zu schaffen, in denen man sich wiederfindet wie in Kindertagen, als man noch Traum und Realität zu einem homogenen, großen Ganzen verwob. Seinen liebevoll gestalteten Puppen, Schautafeln und Spielfiguren verleiht er so viel Charakter und Persönlichkeit, dass man meint, diese schon lange zu kennen, lässt sie quasi nebenbei Lebensweisheiten verkünden, aus denen jeder etwas lernen kann, ohne dabei schulmeisternd zu wirken. Jeder kann sich darin wieder erkennen: „Und als er sah, dass es seinem Bruder noch schlechter ging, als ihm selbst, war er sofort wieder fröhlich…“

Liebevoll halten die Protagonisten aus 1001 Nacht dem Publikum einen Spiegel vor, der auch heute noch so unbestechlich ist wie vor vielen, vielen Jahren: „Kein Hindernis ist zu groß für die List des Weibes…“ oder „Die Liebe traf mich wie das Beil des Henkers…“

Persiflage, Parodien, Doppeldeutigkeiten, Anspielungen, alles ist enthalten. In einem so hohen und anspruchsvollen Maß, dass man kaum mithalten kann. Im Schattenspiel nimmt Glasmeyer Techniken der Werbung aufs Korn, beleuchtet sanft politische Strategien, die sich auch seit Jahrtausenden nicht verändert haben, hinterfragt, ist kritisch, ohne dabei jemals ins Überhebliche abzugleiten.

Voller Gefühl schlägt er eine Brücke aus der Vergangenheit zur Gegenwart, mischt poetische, märchenhafte Sprache mit Elementen des jugendlichen Slangs, trifft sich srimmlich mit Sid aus dem Film „Ice Age“ oder Marcel Reich-Ranicki, lässt die Kampftechniken eines Bruce Lee neu entstehen. Ohne Mühen, immer überzeugend verwandelt er sich in einen gewitzten Kaufmann oder bösen Dämon, einen betrogenen Mann, verzauberten Esel oder Ochsen, eine verwunschene Prinzessin oder eine betörende, kluge Liebhaberin.

Dabei beleuchtet Glasmeyer alle Facetten seiner Charaktere mit einer Brillanz und Leichtigkeit, dass man gar nicht mehr auftauchen möchte aus dem Reich seiner Geschichten, die Traum und Realität so eng verschmelzen lassen.