Von Brünnhilde und ihrem Paps

Da dämmerte es auch dem Publikum: Thomas Glasmeyer zeigt in zwei Stunden Wagner im Ring

PEGNITZ - von Andrea Pfaucht

Wenn Hagen in Richard Wagners „Götterdämmerung“ die Koloraturen von Mozarts Königin der Nacht aus der „Zauberflöte“ trällert und das Publikum nicht mehr in der Lage ist, sich an dieser Stelle den Szenenapplaus zu verkneifen, kann das nur eines bedeuten: Hier ist endlich und wahrhaftig der „Jahrhundertring“ schlechthin entstanden. Die Rede ist von Thomas Glasmeyer und seinem Puppentheater, dem Piccolo Teatro Espresso sowie Iva Slancova am Flügel im Altenstädter Schloss mit „Wagner im Ring“.

16 Stunden an vier Abenden bringt Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ insgesamt auf die Bühne, Glasmeyer jedoch gelang es, zu straffen: „Der Abend wird lang, aber ich habe mir erlaubt, deutlich zu kürzen, so dass wir bereits gegen 5.30 Uhr mit der Götterdämmerung beginnen können“, scherzte Glasmeyer zu Beginn.

Unterm Strich waren es dann gerademal etwas mehr als zwei Stunden Spielzeit, die Glasmayer benötigte, um das Mammutwerk zu interpretieren - und das in einer Klarheit, die nicht nur eingefleischte Wagnerianer begeisterte, sondern auch die etwas weniger „Eingeweihten“ von Anfang bis Ende mitriss.

Liebe und Leidenschaft, Lust und Frust, Gier und Macht, Inzest, Mord und Totschlag, Ehestress und -streit, Raub, Betrug, Erpressung - die ganze Palette menschlicher Regungen, Abgründe und strafrechtlich relevanter Delikte - Glasmeyer und Slancova kreierten daraus ein Gesamtkunstwerk, das keine Wünsche offen ließ. Die Pianistin zelebrierte die musikalischen „Highlights“ mit so viel Einfühlungsvermögen, dass einem die fehlende Riesenorchestrierung gar nicht auffiel, dafür aber das Sehnsüchtige, Tiefschürfende und immer wieder Fragend-Suchende in Wagners Werk klar zum Ausdruck kam.

„Der Ring des Nibelungen“ - komplex und kompliziert in jeder Hinsicht und bestens dazu geeignet, dass sich so mancher Laie wie auch Profi bei der Interpretation die Zähne ausbeißt. Glasmeyer scheute diese Aufgabe nicht und erklärte munter, spritzig, witzig und pointiert - aber auch hintergründig und tiefschürfend, was es mit „Rheingold“, „Walküre“, „Siegfried“ und der „Götterdämmerung“ auf sich hat. Mal gereimt, mal in Prosa und dann wieder in Sächsisch, Schwäbisch oder sonstiger Mundart.

Und natürlich musikalisch, in dem er Hagen seine Stimme lieh, damit dieser in die Rolle von Wolfgang Amadeus Mozarts Königin der Nacht schlüpfen konnte oder, wenn er mit „Winterstürme wichen, dem Wonnemond“ die sehnsuchtsvolle Seite der alten Asen heraufbeschwor. Nebenbei bemerkt, die Königin-Koloraturen hat schon manche Profisopranistin schlechter hingekriegt.

So war am Mittwochabend in Walhall, sprich dem Altenstädter Schloss, wipidi wapidi wups zu erfahren, was die gierigen Riesen Fasold und Fafner mit ihrem Vetter in Griechenland beziehungsweise Alberich, der Wüterich mit Thiel und Boerne im Tatort zu tun haben. Glasmeyer deckte den Verrat im Reichstag - äh der Götterburg, dieser „kessen Datsche“ - auf, analysierte das psychologisch schwierige Vater-Tochter-Verhältnis zwischen Brünnhilde und ihrem „Paps“. Er begründete die Notwendigkeit einer „Walküren-Firewall“ gegen dunkle Mächte und stellte fest, dass bereits in grauer Vorzeit die Göttergattin Fricka „Wotan, wir müssen reden“ zeterte.

Das Publikum erfuhr, wie der sagenhafte „Siieschfriied“ von Brünnhilde in die Geheimnisse „des kleinen Todes“ eingeweiht wird und wie er nach seinem Dahinscheiden betrauert wird: „Ein Macho war er schon, aber er hat's echt draufgehabt…“

Und dazu „Siegfrieds Tod und Trauermarsch“. Da dämmerte es nicht nur den Göttern, sondern auch dem Publikum!

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